Felix Weltsch wurde am 6. Oktober 1884 in Prag geboren. Er war Philosoph, Schriftsteller, von 1919 bis 1938 Redaktionsleiter der wöchentlich erscheinenden jüdischen Zeitschrift „Selbstwehr“ und schließlich Bibliothekar, zuerst an der Prager National- und Universitätsbibliothek, nach seiner Emigration 1939 an der Nationalbibliothek in Jerusalem. Neben Max Brod und Oskar Baum zählte Felix Weltsch zu den engsten Freunden Franz Kafkas. Er starb am 9. November 1964 in Jerusalem.

Eine detailierte Darstellung von Felix Weltschs Leben, seiner bedeutsamen Rolle im engeren Prager Kreis und der geistigen Elite seiner Zeit, seiner Flucht vor den Nazis mit dem letzten Zug, der Prag verließ, dem anfangs nicht einfachen Neuanfang in Palästina, seiner von Auseinandersetzungen geprägten Ehe mir Irma Weltsch (geb. Herz; Schwester von Alice Herz-Sommer), der Vaterrolle … bietet Carsten Schmidt in der bei Königshausen & Neumann erschienenen ersten und einzigen Biografie „Kafkas fast unbekannter Freund. Leben und Werk von Felix Weltsch. Philosoph, Journalist und Zionist“.

Felix Weltsch „formte in strengen Gedankenketten das, was uns Bild-Trunkene in unseren Wachträumen bewegte“, schreibt Max Brod in „Der Prager Kreis“ und hebt damit nicht ohne Anerkennung die philosophische Gabe von Felix Weltsch hervor, die ihn von seinen eher literarisch orientierten Freunden Franz Kafka, Oskar Baum und Brod selbst unterschied. Und weiter: „Die beste Zusammenfassung über das Problem Nummer eins, die Freiheit, gelang ihm (Weltsch) in seinem schönen Buch ‚Gnade und Freiheit‘, das Kafka immer wieder las und mit Recht ein ‚Erbauungsbuch‘ genannt hat.“ (Max Brod: Der Prager Kreis. Frankfurt/Main 1979. S. 154/156) 

© Eli und Michael Gornstein, übermittelt durch Carsten Schmidt

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„Betrachtet man alle Formen der Freiheitsreligion, die sich im Verlaufe der Geschichte herauskristallisiert haben, so findet man bei jeder den Punkt, wo sie in irgendeiner Form in die Gnadenreligion einbiegt. Wir meinen den inneren Grund dafür gefunden zu haben. Er liegt im Glauben. Der Glaube verlangt Sinn und Einheit. Und die Einheit ist nur zu erhalten, wenn das Absolute im allerletzten Sinn das Einheitschaffende und Zweiheitlösende wird. Ohne Glaube mag vielleicht die Freiheitslehre dieses letzten ‚Gnaden‘-Elementes entraten können; wo sie aber Freiheitsreligion wird, läßt sich die einzige mütterlich-tragende Fähigkeit des Absoluten nicht ausschalten. Dennoch glauben wir gezeigt zu haben, daß in der Freiheitsreligion trotz dieser Rolle des Absoluten die letzte Bedeutung des Werdens aufrechterhalten werden kann, wenn man es vermeidet, dem absoluten Sein Wirklichkeit zuzuerkennen, d. h., wenn man dem Fehler des ontologischen Argumentes ausweicht. Dann mag das Absolute wohl Grund und Ziel sein – die metaphysische durch kein Absolutes ersetzbare Bedeutung des Werdens bleibt gewahrt. Das ist der Kern der Freiheitsreligion. Ihre unermeßliche und einzigartige Bedeutung liegt aber in der Ethik.

Der Mensch ist ein winziges Glied des unendlichen schöpferischen Werdens, das die Welt ist. Aber diesem kleinen Teilchen ist der Blick auf das Ziel, die Freiheit der Wahl und die Möglichkeit der Verwirklichung gegeben. Der menschliche Geist setzt sich das Absolute als Richtung seines Tuns, und die Näherung an dieses Absolute ist das Wertmaß jeder Tat. So gibt die Religion der Freiheit nicht nur eine Begründung der Ethik, sondern sie weist auch den Inhalt des Guten. Sie gibt nicht nur die Sanktion, sondern auch das Kriterium des Guten. Sie ist also eine vollkommene und echte Begründung der Ethik.“

„Wie die Entwicklung des Geistes, dieses Durchbrechen der Freiheit vor sich geht, hat Weltsch in wunderbarer Weise dargetan; seine Unterscheidung von tiefem und flachem Wollen, seine Lehre vom ladenden Willen, seine Polemik gegen die, welche sagen: ‚Ich kann nicht‘ und seine Aufforderung an die Schwachen, die nicht tief wollen können, ‚flach zu wollen, aber mit dem festen Glauben an seinen Willen und mit dem niederdrückenden Gefühl der Sündbarkeit, mit dem verzweifelten Bewußtsein, daß man verdammt ist und daß das flache Wollen nimmermehr zu erlösen vermag‘ – diese Lehre von Felix Weltsch ist so erhaben tröstend, so zuversichtlich, so im besten edelsten Sinne jüdisch, daß jeder Auszug, den ich versuchen würde, ihre Wirkung herabsetzten müßte.“ (Hugo Bergmann: Gnade und Freiheit. Bemerkungen zum Buche Felix Weltschs. In: Der Jude, Jg. 6 (1921) Nr. 1, S. 69–71)

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Franz Kafka, 1883 in Prag geboren, 1924, kaum 41-jährig, in Kierling/Niederösterreich gestorben, Bruder dreier Schwestern, Jude, trotz mehrfacher Verlobung sein Leben lang Junggeselle, Dr. der Jura, Angestellter einer Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt – vor allem aber dies: Schriftsteller, und noch wichtiger: ein zutiefst gläubiger, lebensbejahender Mensch, der von einer „positiv aufbauenden Grundgesinnung“ (Brod), einem „Glauben an das Unzerstörbare im Menschen“ (Weltsch) getragen war.

Das sind die Aussagen von Max Brod und Felix Weltsch, zwei der engsten Freunde Franz Kafkas, die nach dessen Tod sicherlich nicht ohne Bestürzen von Israel aus (wohin sie kurz vor dem Einmarsch der deutschen Truppen in Prag geflohen und wo sie dann nach Kriegsende geblieben waren) beobachten mussten, wie aus ihrem Freund zunehmend ein „Repräsentant einer entgotteten Welt“ (Weltsch) wurde. 

Dabei hätte man nur den Stimmen derjenigen mehr Geltung zusprechen müssen, die Kafka persönlich kannten, denn sie zeichnen ein so viel helleres Bild, als es diejenigen taten, die sich der „reinen“ Textanalyse verschrieben. „Alle jene“, so beobachtete Max Brod, „die sich ihr Kafka-Bild nur aus seinen Schriften aufbauen, haben eine wesentlich dunklere Tönung vor Augen als diejenigen, die ihn persönlich gekannt haben.“ 

Wir vom onomato Verlag möchten diesen bejahenden Menschen Kafka wieder in den Blick bekommen. Dies gelingt, so hoffen wir, auf zweierlei Weise: zum einen mit der Unterstützung der Freunde Kafkas, denen wir in ihrer Sicht auf den Freund vertrauen und durch unsere Buchausgaben ihre Stimme innerhalb der Diskussion um Kafka wiederzugeben versuchen. Und zum anderen durch einen veränderten Zugang zu Kafkas Texten selbst. Indem man sie nicht analysiert, zerlegt und seziert, sondern ihnen vernehmend und hörend begegnet, kann sich ein neuer Zugang ergeben, den man in seinem Charakter synthetisch nennen könnte. Er ist es, der das Bejahende erfahrbar werden lässt.

Als erste Buchpublikationen neben den inzwischen sieben Hörbuchausgaben mit Kafkas Erzählungen und Tagebuchauszügen sind hier die „Gespräche mit Kafka“ von Gustav Janouch zu nennen, ein Buch, dessen Inhalt, so Julius Schoeps, „die positiv aufbauende Grundgesinnung Kafkas allen klar machen (wird), diesen Glauben, den er, trotz schwersten Anfechtungen, vor düsterstem Hintergrund aufrechthielt.“

Diesen positiven Grundton hebt auch Reiner Stach hervor,  der in seiner kommentierten Kreuzfahrt durch Kafkas Nachlass Kafkas Spiele“ ein farbiges Bild von Kafka zeichnet und viele heitere, komische, groteske Facetten sichtbar macht, die mit seinem düsteren Nimbus als eigentlich unvereinbar gelten.

Zudem im onomato Verlag erschienen ist „Religion und Humor im Leben Franz Kafkas“ von Felix Weltsch, einem der engsten Vertrauten Kafkas, der diesen zwar durchaus als in mancherlei Hinsicht unglücklichen Menschen zu beschreiben bereit ist, ihn aber auch als humorvoll vorstellt und sich vor allem strikt dagegen verwehrt, Kafka eine gänzliche Welt- und Lebensnegation zuzuschreiben. 

Als weitere Wiederveröffentlichung ist „Franz Kafkas Glauben und Lehre“ geplant, eine Schrift von Max Brod, der Kafkas Urvertrauen in das Gute betont: „Dieses ‚aber trotzdem‘ ist so charakteristisch für Kafka, ich spüre ihn darin ganz und gar, mit seinem Vertrauen auf das Unzerstörbare, das Gute, das sich am Ende doch durchsetzen muß.“

All dies ist aber noch sehr anfänglich, und wir sind froh, dass sicherlich noch weitere  spannende Buch- und Hörbuchprojekte zu Franz Kafka auf uns warten (und zum Teil schon in Vorbereitung sind).

Links und Hör-Files zu Franz Kafka:

 

Der S.-Fischer-Verlag bietet unter Leitung von Reiner Stach eine sehr übersichtliche, gut strukturierte Seite zu Kafka mit inzwischen insgesamt 130 Sub-Sites:
http://www.franzkafka.de


The Kafka Project: sehr materialienreiche englischsprachige Seite zu Kafka, die 1998 ins Leben gerufen wurde und seither beständig wächst:
http://www.kafka.org

 

Kostenlose Hörfiles (mp3)

Franz Kafka – Elf Söhne (Erzählungen III)

Franz Kafka – Vor dem Gesetz (Erzählungen I)


Besonders ausgefallen ist die Seite des Fotografen Jan Jindra. Wie dem onomato Verlag geht es den beteiligen Mitarbeitern darum, Kafka als einen Menschen zu zeigen, der viel beweglicher und lebenszugewandter war, als von der Kafka-Forschung leider immer noch häufig unterstellt:
http://www.franzkafka.info

 

Die Seite des 2004 von der letzten deutsch schreibenden Prager Schriftstellerin Lenká Reinerová, dem Botschafter a. D. František Černý und Kurt Krolop gegründeten Prager Literaturhauses deutschsprachiger Autoren:
http://www.prager-literaturhaus.com

 

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