Rainer Rabowski
Universal-Dilettant; Non-Fumatori; Nebenperson in eigener Sache. Auf Fotos meist hart am Bildrand. Lebt in Düsseldorf. Nichts weiter.
Weitere Bücher von Rainer Rabowski gibt es im Mirabilis Verlag:
Erhältlich bei: bureau B
KLAR! 80: Ein Label ohne Programmatik.
Die vorliegende Kompilation ist eine lang überfällige, erste Annäherung an die Jahre 1980 – 82, in denen KLAR! 80 als Label aktiv war und es das gleichnamige Ladenlokal in Düsseldorf gab. Von Rainer Rabowski gegründet, veröffentlichte KLAR!80 insgesamt 18 Kassetten unterschiedlicher Längen und eine Schallplatten-Box mit drei 12” Vinyl EPs, die heute zu Sammlerpreisen höchste Notierungen haben.
Nach der, ebenso von Stefan Schneider zusammengestellten, Kompilation SAMMLUNG – Düsseldorfer Kassettenmusik 1982-1989 (BB236/2017), die ihren Schwerpunkt auf die Düsseldorfer Kassettenszene der mittleren 80er legt, geht die KLAR!80 – Ein Kassettenlabel aus Düsseldorf 1980-1982 zeitlich noch weiter zurück und beschreibt eine sehr kurze Zeit, zwischen dem Ende des Punk und der bevorstehenden Kapitalisierung und Digitalisierung weiter Lebensbereiche.
Artist & Track
01. Strafe für Rebellion – Blaue Mig
02. Roter Stern Belgrad – Ta Ku Sey
03. Und Piloten – Umsturz
04. Roter Stern Belgrad – alpha waves
05. Europa – Dein Zauber
06. Ralph & Ernie – Ralph & Ernie
07. Xao Seffcheque und der Rest – Mir fehlen die Worte 08. Rara, Axel & Ralph – Rara, Axel & Ralph
09. Eraserhead – OT
10. P.Projekta / G.Ranzz – M4
11. CHBB – Mau-Mau
12. Roter Stern Belgrad – Blas dein Knie ein
13. BLÄSSE – Taktlose Klapperschlangen
weitere Informationen und Bestellung bei bureau B
Ein Bericht für die Zukunft.
Spontaneismus und Understatement, so könnte man das kurze Schaffen von KLAR! 80 zwischen April 1980 und Oktober 1982 zusammenfassen. Hergestellt und verkauft werden ausschließlich selbst produzierte Kassetten, mit einem Schwerpunkt auf Experiment. Artwork für Flyer, Plakate und Cover der Kassetten werden unmittelbar aus vorliegendem Material mit Schere und Schreibmaschine, mit Filzstift und Fotokopie hergestellt. Kunst wird nicht mehr im Atelier gemacht, sondern im Copyshop oder im Cafe.
Die Kompaktkassette ist 1981 zudem das Medium des Augenblicks. Sie ist verfügbar, billig und schnell zu kopieren, ist demokratisches Produktionsmittel und leicht zu distribuierendes Endprodukt zugleich. Jeder Mensch ist ein Musiker! Jeder kann! Mach es selbst! Mit dem Punk und seiner DIY-Ästhetik erscheint tatsächlich ein neuer Typ des Musikproduzenten, der Instrumentalist, Arrangeur, Autor, Verleger, Hersteller und Verkäufer in einem ist. Die heutigen Möglichkeiten des Computers, die eine und dieselbe Person unterschiedliche und vormals spezialisierte Arbeitsbereiche ausführen lassen, werden hier durch die Kassette bereits vorweggenommen. So sind die Musiker, die auf KLAR! 80 veröffentlichen, so eigene wie verwandte Geister, Vertraute, Fremde, Un/Gleichgesinnte und so vermischt sich das Private mit einer Kunst nebenan. Es werden andauernd neue Formen der Zusammenarbeit ausprobiert, die manchmal nur für eine Aufnahmesession Gültigkeit haben: Von der Band zum Projekt. So bot KLAR!80 u.a. die Möglichkeit zur Veröffentlichung von den ersten Experimenten von Christo Haas und Beate Bartel, hier noch als CHBB, die kurz darauf ihren treibenden Sequence Sound als Liaisons Dangereuses in die internationalen Dance Charts brachten. Eva Gössling importierte den No Wave Sound von New York nach Düsseldorf und kombinierte ihn hier mit mit Elektronik und Motorik. Strafe für Rebellion, die die Platte mit einer plastischen Klangcollage eröffnen, sollten später viele Alben auf dem angesagten Londoner Touch Label veröffentlichen.
Von dem Ladenlokal in der Aachener Strasse in Düsseldorf Bilk existieren heute nur noch einige Polaroids und Videoaufnahmen, die alle einem Besuch von Agi Yuzuru und Mamoru Shibuya, zwei Journalisten aus Osaka, entstammen. Nach dem Ende des Labels im Oktober 1982 sind alle originalen Kassetten, Masterbänder und Artworks verschenkt worden oder verloren gegangen. Die hier zu hörenden Aufnahmen stammen sämtlich von gut erhaltenen Kassetten aus privaten Sammlungen und wurden sorgfältig restauriert und digitalisiert.
Rainer Rabowski: “In dem Moment, da Label und Laden sich hätten verwandeln und eine neue Form annehmen müssen, hätte auch ich mich auf so etwas wie ein Geschäftsmodell einlassen müssen, was ich aber nie wollte.” Auch das Aufhören ging dann ganz beiläufig ohne Erklärungen.
Rainer Rabowski und Stefan Schneider, Düsseldorf März 2023