Mystik in Sprache und Schrift
Herausgegeben von Marco A. Sorace
Stift Melk, Niederösterreich, Bibliothek, Foto-Author: Jorge Roya, Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 International
Herausgegeben von Marco A. Sorace
Stift Melk, Niederösterreich, Bibliothek, Foto-Author: Jorge Roya, Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 International
δεῖξις
Mystik in Sprache und Schrift
Eine Reihe im onomato verlag – hrsg. von Marco A. Sorace
Texte zur Mystik kann man in einem Verlag wie onomato sinnvollerweise nur herausgeben mit einem Verständnis davon, welche Rolle diese bedeutende Strömung im Spannungsfeld von Frömmigkeit, Theologie und Philosophie in unserer Geistesgeschichte eingenommen hat. Dabei war aus christlicher Perspektive zunächst die „Selbstoffenbarung“ Gottes bedeutsam – kurz: die Glaubensüberzeugung, dass das göttliche Offenbarungswort (der „logos“) „Fleisch geworden“ ist (vgl. Joh 1,14) und somit die „conditio humana“ nicht nur teilweise, sondern vollständig angenommen hat. Der Versuch, solches konsistent zu denken, fand in der Spätantike einen Anschluss an die neuplatonische Vorstellung der „Emanation“ Gottes – ein geistiger Ausfluss des „Einen“, der den Menschen im Grunde als inkarnierte Geist-Seele, als eine „Geburt in Gott“ begreifen kann. Als solcher ist der „Neuplatonismus“ stets die philosophische Matrix der christlichen (wie aber auch weiter Teile der jüdischen und islamischen) Mystik geblieben. Jedoch musste die Mystik in der abendländischen Tradition – indem sie die Freiheit von Gott und Menschen betonen wollte – diesen neuplatonisch-metaphysischen Monismus aufbrechen. Davon ist nicht zuletzt ihr Verhältnis von Sprache und Schrift berührt. Die Sprache der Mystik ist nicht mehr eine Sprache, die einfach eine immer gültige, unwandelbare Präsenz menschlich „repräsentiert“, sondern ihr Sprechen verbündet sich mit der Schrift als ein Lesen, das eine Differenz (durchaus zu verstehen wie die Derrida’sche „différance“) vollzieht. So kommt den schriftlich überlieferten Aussagen der Mystikerinnen und Mystiker eine „deiktische“ Funktion zu in dem Sinne, dass die Deixis (als ein „Zeigen“) auf einen Ursprung verweist, den sie mit einer streng begrifflichen Sprache keinesfalls handhabbar machen kann, jedoch in der Aktualität des Sprechens in sich aufnimmt. Deswegen soll bei onomato als Print- und Hörbuchverlag die Mystik immer wieder aktuell zur Sprache kommen, gerade auch in ihrer poetischen Dimension einer Sprache der „Namen“ – so wie der frühe Walter Benjamin diese verstand als eine, in der die Gottheit unsichtbar waltet.
In ihrer „deiktischen“ Perspektive zeigt der Begriff der Mystik letztlich die Erfahrung einer transkategorialen Wirklichkeit an und ist folglich auch immer konfessions- und religionsübergreifend. Auch wenn in dieser Reihe durch die Umstände der Herausgeberschaft eine aus dem Christentum hervorgegangene Mystik sicher den Schwerpunkt bilden wird, soll eine grundsätzliche Offenheit ebenso für jede andersreligiöse Mystik bestehen.
Eine von Pseudo-Dionysius Areopagita verfasste Grundschrift der christlichen Mystik trägt den Titel „Von den göttlichen Namen“, im griechischen Original „Peri theion onomaton“. Dass der Verlag, in dem diese Reihe erscheint, onomato heißt, steht tatsächlich in keinem direkten Zusammenhang mit der späteren Aufnahme mystischer und mystikwissenschaftlicher Texte in sein Programm, verweist aber durchaus auf eine Verwandtschaft mit seinen ersten Anliegen.
Dr. Marco A. Sorace (*1970) studierte Theologie, Philosophie sowie Kunstwissenschaften und promovierte 2006 in Bochum im Fachbereich Fundamentaltheologie zur Theologie des Bildes im Kontext der künstlerischen Avantgarde. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Bildtheologie, Christliche Mystik und Politische Theologie. Die Reihe „δεῖξις – Mystik in Sprache und Schrift“ gibt er im onomato verlag seit dem Jahr 2022 heraus.
Bisherige Editionen und Herausgeberschaften